Künstliche Intelligenz und Machine Learning: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Zwei der Themengebiete, die im Moment in der Informatik eine besondere Bedeutung haben, sind die künstliche Intelligenz (KI) und das maschinelle Lernen (ML). Diese spielen auch in der öffentlichen Debatte eine wichtige Rolle. Sie kommen beispielsweise häufig in politischen Diskussionen zu wichtigen Zukunftstechnologien vor. Viele Unternehmen nutzen sie auch zu Marketing-Zwecken. Dabei ist zu beobachten, dass diese Ausdrücke häufig nicht klar voneinander abgetrennt sind und manchmal sogar wie Synonyme gebraucht werden. Allerdings bestehen einige Unterschiede zwischen ihnen. Wenn Sie sich intensiver mit diesem Thema beschäftigen möchten, ist es daher zunächst wichtig sich die Unterschiede zwischen KI und ML anzuschauen, um die Eigenschaften der beiden Techniken zu verstehen.
Was ist künstliche Intelligenz?
Die künstliche Intelligenz genau zu definieren ist ausgesprochen schwierig. In der Wissenschaft besteht hierfür keine allgemeingültige Definition. Um dennoch erklären zu können, was künstliche Intelligenz eigentlich ist, verwenden wir ein Zitat von Andrew Moore, dem früheren Dekan der Fakultät für Informatik an der Carnegie Mellon University und einem bekannten Forscher im Bereich der künstlichen Intelligenz:
„Artificial intelligence is the science and engineering of making computers behave in ways that, until recently, we thought required human intelligence.“
(Quelle: https://www.forbes.com/sites/peterhigh/2017/10/30/carnegie-mellon-dean-of-computer-science-on-the-future-of-ai/?sh=225f11a22197)
Diese Beschreibung zeigt einige der wesentlichen Eigenschaften der künstlichen Intelligenz auf. Zum einen bezieht sich diese stets auf die menschliche Intelligenz. Das Ziel besteht dabei immer darin Systeme zu entwickeln oder Programme zu schreiben, die menschliche Intelligenz ersetzen können. Darüber hinaus wird am Ausdruck „until recently“ – auf Deutsch „bis vor Kurzem“ – deutlich, dass die künstliche Intelligenz einen starken Bezug zur aktuellen Entwicklung hat. Moore gibt hierfür auch ein Beispiel an: Programme für das Schachspiel. Noch vor einigen Jahrzehnten gab es keine Schachprogramme, die dazu in der Lage waren gegen menschliche Spieler zu gewinnen, selbst wenn diese nur wenig Erfahrung hatten. Daher war man der Auffassung, dass hierfür künstliche Intelligenz notwendig sei. In den 1990er Jahren war die Technik so weit, dass sie selbst erfahrene Spieler schlagen konnte. Den Höhepunkt erreichte die Entwicklung 1996, als der von IBM entwickelte Schachcomputer Deep Blue eine Partie gegen den amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow gewann. Mittlerweile kommt niemand mehr auf die Idee, ein Schachprogramm als herausragende künstliche Intelligenz zu bezeichnen.
Momentan stehen andere Entwicklungen im Zentrum der Forschungen rund um die künstliche Intelligenz – beispielsweise selbstfahrende Autos oder Programme für Natural Language Processing (NLP), die trotz der Vielfalt der menschlichen Sprache die Inhalte eines natürlichen Gesprächs erkennen sollen. Es ist davon auszugehen, dass diese Bereiche im Laufe der nächsten Jahrzehnte bereits als verbreiteter Standard betrachtet werden.
Programme, die der künstlichen Intelligenz zugerechnet werden, sollen zwei grundlegende Eigenschaften erfüllen: Autonomie und Anpassungsfähigkeit. Autonomie bedeutet, dass sie ihre Aufgaben selbstständig erfüllen können, ohne dass menschliches Eingreifen notwendig ist. Die Anpassungsfähigkeit bezieht sich darauf, dass die Programme sich selbstständig an unterschiedliche Umgebungen anpassen können, auch wenn sie nicht speziell für diese programmiert wurden. Dieser Aspekt beinhaltet auch die Lernfähigkeit der Programme. Das bedeutet, dass sich die Ergebnisse aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit jedem Durchlauf verbessern sollen.
Die grundlegenden Eigenschaften von Machine Learning
Eine weitere Technologie, die in diesem Bereich immer wieder genannt wird, ist das maschinelle Lernen beziehungsweise auf Englisch das Machine Learning. Ein Computerprogramm soll selbstständig dazu in der Lage sein, Daten zu analysieren und daraus zu lernen, ohne dass hierfür ein menschliches Eingreifen notwendig ist.
Daraus wird bereits eine große Ähnlichkeit zur künstlichen Intelligenz deutlich. Das ist sicherlich auch der Grund dafür, dass die beiden Begriffe beinahe gleichbedeutend verwendet werden. Die meisten Forscher sagen, dass es sich bei Machine Learning um eine Unterkategorie von KI handelt. Während die künstliche Intelligenz ein umfassenderes Konzept beschreibt, das auch andere Techniken beinhaltet, gibt das maschinelle Lernen eine spezifische Vorgehensweise vor.
Allerdings gibt es auch Stimmen, die der Meinung sind, dass es sich beim maschinellen Lernen nicht um eine Untergruppe von KI handelt, sondern um die aktuelle Ausprägung dieser Technik. Auch dieser Ansatz ist nicht abwegig. Die große Mehrheit der KI-Anwendungen, die im Moment von Bedeutung sind, beruht auf maschinellem Lernen.
Um ein besseres Bild von dieser Technik zu erhalten, werden in den folgenden Abschnitten einige Anwendungsbeispiele vorgestellt. Dabei unterscheiden wir auch zwischen den beiden grundlegenden Methoden von ML: Überwachtes maschinelles Lernen und nicht überwachtes maschinelles Lernen. Weiterhin befassen wir uns mit dem bestärkenden Lernen. Dieses stellt eine spezielle Form des überwachten Lernens dar. Die Beispiele beziehen sich dabei auf das autonome Fahren – eine Technik, die ohne maschinelles Lernen undenkbar wäre.
⦁ Überwachtes maschinelles Lernen (Supervised Machine Learning)
Ein selbstfahrendes Auto ist in der Regel mit Kameras ausgestattet. Ein Computerprogramm muss die aufgenommenen Bilder erkennen und daraus selbstständig das erforderliche Fahrverhalten bestimmen. Zu Beginn kann das Programm nicht unterscheiden, ob es sich bei einer Aufnahme um eine gerade Fahrbahn oder um eine Kreuzung handelt. Daher ist es nicht möglich, ein passendes Fahrverhalten zu wählen.
Überwachtes maschinelles Lernen bedeutet nun, dass das Programm Aufnahmen von vielen verschiedenen Verkehrssituationen erhält. Ein menschlicher Anwender gibt dabei jeweils vor, ob es sich um eine Kreuzung handelt oder nicht. Das Programm ermittelt daraufhin die gemeinsamen Merkmale von Aufnahmen einer Kreuzung und die Unterschiede zu den anderen Bildern. Nach der Analyse einer größeren Anzahl an Aufnahmen ist es dann selbstständig dazu in der Lage, Kreuzungen zu erkennen.
⦁ Nicht überwachtes maschinelles Lernen (Unsupervised Machine Learning)
Eine weitere Möglichkeit stellt das nicht überwachte maschinelle Lernen dar. Hierbei gibt es keinen menschlichen Anwender, der bestimmte Kategorien und das zugehörige Verhaltensmuster vorgibt. Stattdessen kategorisiert das Programm die Daten selbstständig.
Um beim Beispiel des autonomen Fahrens zu bleiben, könnte ein solches Programm ebenfalls verschiedene Verkehrssituationen analysieren. Hierbei teilt es die Aufnahmen selbstständig in verschiedene Gruppen ein, ohne dafür vorgegebene Kategorien zu verwenden. Das kann hilfreich sein, um weitere Merkmale zu entdecken, die für die Steuerung des Fahrzeugs relevant sein könnten, die ein menschlicher Fahrer normalerweise nicht beachtet.
⦁ Bestärkendes Lernen (Reinforcement Learning)
Eine weitere Möglichkeit stellt das bestärkende Lernen dar. Dieses beruht auf dem Prinzip „Trial and Error“. Bei einem autonomen Fahrzeug könnte man nun beispielsweise unterschiedliche Verkehrssituationen simulieren. Das Programm muss dann selbstständig eine Lösung finden. Zunächst ist diese zufällig. Allerdings erhält das Programm bei jeder Ausführung ein Feedback, ob die gewählte Aktion gut oder schlecht war – in unserem Beispiel, ob das Fahrzeug sicher gesteuert wurde oder ob es einen Unfall verursacht hat. Das Programm kann auf diese Weise beurteilen, ob die gewählten Aktionen der Verkehrssituation angemessen waren oder nicht. Dadurch lernt es selbstständig, das Fahrzeug sicher zu steuern.
Deep Learning: Eine weitere wichtige Technik
Ein weiterer Begriff, der in diesem Zusammenhang häufig zu hören ist, ist Deep Learning. Dabei handelt es sich um eine spezielle Methode des maschinellen Lernens. Diese verwendet neuronale Netzwerke. Der Ansatz besteht darin unterschiedliche Schichten zu verwenden. Jede einzelne Schicht verbessert den Lernprozess und damit die Ergebnisse. Für den Anwender sind diese einzelnen Schichten nicht sichtbar. Er befasst sich lediglich mit der Input-Layer – der Schicht für die Eingabe – und der Output Layer – der Schicht für die Ausgabe. Dazwischen gibt es einen oder mehrere Hidden Layer – so wie dies in der folgenden Abbildung zu sehen ist. Die Bezeichnung zeigt bereits an, dass diese für den Anwender nicht zu sehen sind.
Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Auch eine Frage des Marketings
Wenn man sich mit KI und ML befasst, wird klar, dass diese beiden Themen sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Daher wäre es auch möglich gewesen, hierfür den gleichen Begriff zu verwenden. Für die unterschiedlichen Bezeichnungen waren aber sicherlich auch Marketing-Überlegungen ausschlaggebend.
Der Begriff künstliche Intelligenz wurde in den 1950er Jahren populär. Die Forscher der damaligen Zeit zeichneten ein futuristisches Bild, in dem Roboter mit vielen menschlichen Eigenschaften die menschliche Arbeitskraft in beinahe allen Bereichen komplett ersetzen konnten. Diese Zukunftsvisionen wurden bis heute nicht erfüllt.
Als dann mehrere Jahrzehnte später die Forschung in der künstlichen Intelligenz tatsächliche Fortschritte erzielen konnten, war dieser Begriff veraltet und galt als gescheitert. Um sich von diesen negativen Assoziationen abzuheben, wählten Forscher und Unternehmen andere Ausdrücke, um die Forschungsergebnisse zu beschreiben. Daher wurde der Begriff Machine Learning populär.
Mittlerweile hat sich die Wahrnehmung dieses Begriffs wieder verändert. Künstliche Intelligenz steht nun nicht mehr nur für unerfüllte Zukunftsvisionen, sondern für einen realen technischen Fortschritt. Daher kommt dieser Ausdruck heutzutage wieder häufiger zum Einsatz.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen KI und ML
Trotz der Gemeinsamkeiten und Überschneidungen gibt es auch klare Unterschiede zwischen KI und ML. Diese stellen wir zum Abschluss des Artikels nochmals heraus, um eine möglichst klare Trennlinie zu definieren.
Der größte Unterschied besteht darin, dass die künstliche Intelligenz einen allgemeineren Ansatz verfolgt. Ihr Ziel ist es, menschliche Intelligenz in vielen verschiedenen Bereichen nachzustellen. Der Ansatz beim maschinellen Lernen ist hingegen deutlich spezifischer. Diese Programme dienen dazu, Rückschlüsse aus vorhandenem Datenmaterial zu ziehen, ohne dass sie explizit dafür programmiert wurden.
Daraus folgt, dass die künstliche Intelligenz das Ziel hat, Systeme zu entwickeln, die verschiedene komplexe Aufgaben selbstständig erledigen können – selbst wenn bislang keine vergleichbare Situation vorlag. ML-Programme sind hingegen für eine einzelne Aufgabe erstellt und sie können ihre Ergebnisse nur aus Erfahrungen mit ähnlichen Situationen ermitteln.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass KI-Systeme grundsätzlich das Ziel verfolgen, vollkommen unstrukturierte Daten zu bearbeiten – so wie dies auch bei menschlicher Intelligenz der Fall ist. Für das Machine Learning ist eine zumindest teilweise Strukturierung erforderlich.
Der richtige Einstieg für KI und ML
Obwohl KI und ML nicht vollkommen gleichbedeutend sind, gibt es in der Praxis kaum Unterschiede. Zwar handelt es sich bei ML um ein Teilgebiet von KI. Beim Großteil aller KI-Anwendungen handelt es sich daher auch um ML-Anwendungen.
Wenn Sie sich mit der künstlichen Intelligenz befassen möchten, bietet es sich an, mit dem maschinellen Lernen zu beginnen. Indem Sie ein passendes Lehrbuch bearbeiten, können Sie bereits sehr interessante Ergebnisse erzielen. Einen hervorragenden Einstiegspunkt stellt das Buch „Machine Learning und Neuronale Netze: Der verständliche Einstieg mit Python“ von Philipp Grunert dar.
Wann erscheint denn tatsächlich das Buch? Die Erscheinung wird ja Monat für Monat nach hinten verschoben….
Kommentar ist in Bezug auf folgendes Buch: Machine Learning und Neuronale Netze: Der verständliche Einstieg mit Python