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Bedeutende Informatiker Teil 1: Alan Turing

Bedeutende Informatiker Teil 1: Alan Turing

Die Informatik bestimmt das moderne Leben. Bereits wenn morgens der Wecker klingelt, handelt es sich fast immer um ein programmierbares Gerät, in dem eine Software abläuft, die dafür sorgt, dass Sie genau zur richtigen Zeit aufstehen. Wenn Sie daraufhin den Wetterbericht abrufen, die Zeitung online lesen oder den Kaffee mit einer programmierbaren Kaffeemaschine zubereiten, spielt die Informatik ebenfalls eine wichtige Rolle. Das geht den ganzen Tag so weiter, bis Sie abends vor dem Einschlafen einen Film über einen Streaming-Dienst schauen oder ein Spiel auf dem Smartphone spielen. Es kommt hinzu, dass für einen großen Teil der Bevölkerung die Informatik auch im beruflichen Alltag von großer Bedeutung ist.

Allerdings war es ein langer Weg, bis die Informatik und die damit verbundenen Geräte diese wichtige Rolle einnehmen konnten. Die Anfänge dieser Wissenschaft sind nahezu ein Jahrhundert alt. Einige theoretische Grundlagen wurden sogar deutlich früher entwickelt. Die Entwicklung geht auf zahlreiche Menschen zurück, die in diesem Bereich geforscht haben. Dabei kam es zu vielen wegbereitenden Entdeckungen und Erfindungen. Wir haben beschlossen, diesen bedeutenden Frauen und Männern eine eigene Blog-Reihe zu widmen. Im Zuge dessen präsentieren wir die bedeutendsten Persönlichkeiten im Bereich der Informatik und gehen darauf ein, welchen Einfluss sie auf die Entwicklung hatten.

Alan Turing

Im ersten Teil stellen wir den britischen Mathematiker und Informatiker Alan Turing vor. Dieser wurde 1912 in London geboren. Seine Begabung zeigte sich sehr schnell – allerdings nur im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Den Geisteswissenschaften maß er keine große Bedeutung bei. Da diese bei seiner Schulbildung eine wichtige Rolle spielten, kam es zu gewissen Problemen im Unterricht. Als er einige geisteswissenschaftliche Prüfungen nicht bestand, konnte er das eigentlich von ihm favorisierte Trinity College an der Universität Cambridge nicht besuchen. Stattdessen studierte er am King’s College, das zwar an der gleichen Universität beheimatet ist, das für ihn jedoch nur die zweite Wahl darstellte. Trotz dieser Rückschläge war das Talent Turings schon früh offensichtlich. Bereits zu seiner Studienzeit entwickelte er Theorien, die bis heute in der Informatik eine bedeutende Rolle spielen. Die wichtigsten Arbeiten und Entdeckungen stellen wir in den folgenden Abschnitten vor.

Die Entwicklung der Turing-Maschine: Theoretische Grundlage der Informatik

Bereits während seiner Studienzeit veröffentlichte Turing eine Schrift mit der Bezeichnung „On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem“. Hierbei ging es um das sogenannte Entscheidungsproblem, das der deutsche Mathematiker David Hilbert bereits viele Jahre zuvor aufgestellt hatte. Turing konnte dieses nicht lösen. Stattdessen bewies er, dass es unlösbar ist.

Um sich diesem Problem anzunähern, entwickelte Turing die sogenannte Turingmaschine. Bei diesem Wort denken die meisten Menschen zunächst an ein physisches Gerät. Die Turing-Maschine ist theoretischer Natur. Es handelt sich um ein mathematisches Modell. Dieses beruht auf Algorithmen – also auf einer fest vorgegebenen Abfolge bestimmter Bearbeitungsschritte. Die grundlegende Idee besteht darin, dass auf einem fortlaufenden Band verschiedene Werte gespeichert sind. Die Turing-Maschine liest den Wert ein, führt die Berechnungen nach einem fest vorgegebenen Algorithmus durch und schreibt das Ergebnis wieder auf das Band.

Turing hat die Grundlagen für eine universelle Maschine formuliert. Dabei handelt es sich um ein frei programmierbares Gerät, das unterschiedliche Algorithmen umsetzen kann. Viele Forscher sehen in dieser Idee die Geburtsstunde der Informatik. Bis heute spielt die Turing-Maschine insbesondere in der theoretischen Informatik eine sehr wichtige Rolle.

Turing-Bombe: Informatik verändert die Welt

Die ersten theoretischen Arbeiten Turings fanden nur in der Fachwelt Beachtung. Einige Jahre später sollten seine Arbeiten einen erheblichen Einfluss auf das Weltgeschehen haben. Alan Turing arbeitete während des Zweiten Weltkriegs in Diensten des britischen Militärs. Eine seiner wesentlichen Aufgaben bestand in der Entschlüsselung der Nachrichten der deutschen Streitkräfte.

Die Funksprüche dienten dazu, den deutschen Truppenverbänden die Ziele für die nächsten Angriffe zu übermitteln. Insbesondere für die zahlreichen U-Boote war diese Kommunikation von großer Bedeutung. Sie konnten viele Schiffe der Alliierten versenken. Das führte zu einer entscheidenden Schwächung. Die britischen Streitkräfte konnten die Nachrichten problemlos abfangen. Die manuelle Entschlüsselung dauerte meistens so lange, dass es nicht möglich war, rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der Code für die Verschlüsselung änderte sich täglich, sodass diese Aufgabe jeden Tag aufs Neue ausgeführt werden musste.

Aus diesem Grund entwickelte Turing die sogenannte Turing-Bombe. Dabei handelte es sich um ein elektromechanisches Rechengerät, das dazu in der Lage war, den Code mit einer ausreichenden Geschwindigkeit zu ermitteln. Auf diese Weise war es möglich, die Ziele entsprechend zu schützen. Viele Historiker gehen davon aus, dass die Turing-Bombe das Kräfteverhältnis im Zweiten Weltkrieg deutlich zugunsten der Alliierten verschob und daher einen erheblichen Einfluss auf den Kriegsausgang hatte.

Das zeigt, dass die Informatik bereits einen großen Einfluss auf das Weltgeschehen hatte. Allerdings blieb dieser Teil der Arbeit Turings lange unbekannt. Da es sich um militärische Geheimnisse handelte, waren alle Mitarbeiter an diesem Projekt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Erst in den 70er Jahren wurden diese Entwicklungen veröffentlicht.

Informatik in der Praxis

Nach dem Krieg nahm Turing eine Stelle am National Physical Laboratory (NPL) an. Dabei entwickelte er das Design für für eine Maschine mit der Bezeichnung ACE (Automatic Computing Engine). Dabei handelte es sich um ein Gerät, das bereits viele Gemeinsamkeiten mit einem modernen digitalen Computer aufweist. Allerdings verließ Turing das NPL bereits 1948 wieder – noch bevor der erste Prototyp dieses Geräts entstand.

Danach trat Turing eine Stelle in Manchester an. Hier arbeitete er mit dem Manchester Mark 1 – einem der ersten Computer der Welt, der die Von-Neumann-Architektur umsetzte, die auch für neuere Rechner noch von großer Bedeutung ist. Turing schrieb für dieses Gerät eine Programmieranleitung.

1952 entwickelte Turing außerdem eines der ersten Computerspiele der Welt – zumindest in der Theorie. Hierbei handelte es sich um das Schachprogramm Turochamp. Allerdings war es zu dieser Zeit noch nicht möglich, die Algorithmen auf einem Computer auszuführen. Hierfür war die Hardware noch nicht leistungsfähig genug. Um die Funktionstüchtigkeit des Programms zu demonstrieren, führte Turing die erforderlichen Berechnungen nach jedem Zug von Hand durch. Da er hierfür jeweils rund eine halbe Stunde benötigte, dauerten die Partien mehrere Tage.

Künstliche Intelligenz: Der Turing-Test

Während seiner Zeit in Manchester befasste sich Turing auch mit dem Thema der künstlichen Intelligenz, das in der modernen Informatik eine sehr wichtige Rolle spielte. Die zu dieser Zeit verfügbare Hardware war zwar noch weit davon entfernt, künstliche Intelligenz zu erzeugen. Allerdings entwickelte Turing in diesem Bereich einige wichtige theoretische Grundlagen, die auch heute noch bei der Entwicklung von KI von Bedeutung sind.

Sehr bekannt ist beispielsweise der Turing-Test. Dieser dient der Festlegung, ob es sich bei einem bestimmten System um eine künstliche Intelligenz handelt. Eine wichtige Erkenntnis der Arbeiten Turings bestand darin, dass der Denkprozess nicht formalisierbar sei. Deshalb verzichtete er auf einen formalisierten Test für künstliche Intelligenz. Stattdessen schlug er einen Praxistest vor. Eine menschliche Person sollte zwei verdeckten Gesprächspartnern Fragen stellen. Bei einem dieser Gesprächspartner handelt es sich um einen Menschen, beim anderen um eine Maschine. Wenn die Testperson nicht klar bestimmen kann, wer Mensch und wer Maschine ist, handelt es sich um eine künstliche Intelligenz.

Verurteilung und früher Tod

Alan Turing war nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht seiner Zeit voraus. Auch auf privater und gesellschaftlicher Ebene hat er eine Vorreiterrolle eingenommen. Turing war homosexuell. Obwohl dies in der damaligen Zeit ein absolutes Tabuthema darstellte, ging Turing damit recht offen um.

Dieser offene Umgang, der heutzutage eine Selbstverständlichkeit darstellt, brachte zur damaligen Zeit viele Probleme mit sich. Diese traten bei einem Einbruchsversuch im Jahre 1952 zu tage, an dem sein damaliger Partner beteiligt war. Turing erstattete Anzeige. Im Zuge der Ermittlungen wurde die Polizei auf die homosexuelle Beziehung aufmerksam. Das stellte in Großbritannien bis 1967 einen Straftatbestand dar. Im Gerichtsprozess sah Turing keinen Grund, die Vorwürfe abzustreiten.

Das führte zu einer harten Verurteilung. Turing wurde vor die Wahl gestellt, entweder eine Gefängnisstrafe anzutreten oder eine Hormontherapie mit künstlichem Östrogen zuzustimmen, die einer chemischen Kastration gleichkam und eine Verweiblichung seines Körpers mit sich brachte. Turing wählte die zweite Alternative. Er litt schwer unter den Folgen. Es kam hinzu, dass die Verurteilung auch seine Arbeit beeinträchtigte. Diese Umstände führten zu einer schweren Depression.

Am 8. Juni 1954 wurde Alan Turing tot in seinem Bett aufgefunden. Als Todesursache wurde eine Cyanid Vergiftung festgestellt. Zwar ist es nicht zweifelsfrei belegt, dass es sich um einen Selbstmord handelte. Die alternative Theorie, dass es bei einem chemischen Experiment zu einem Unfall gekommen sei, gilt als sehr unwahrscheinlich.

Turing starb als verurteilter Straftäter. Seine herausragende Arbeit erhielt in Fachkreisen bereits zu Lebzeiten Würdigung. Dass er damit die Grundlagen für einen gesellschaftlichen Wandel mit unvorstellbaren Auswirkungen legte, war damals noch nicht absehbar. Erst Jahrzehnte später erhielt Turing die Beachtung, die seine Arbeit verdiente. Das führte auch zu zahlreichen Protestaktionen, die den Umgang der Behörden mit Turing kritisierten. 2009 entschuldigte sich der damalige britische Premierminister Gordon Brown offiziell für das Unrecht, das Turing erfahren hatte. 2013 wurde Turing auch offiziell rehabilitiert – durch eine Begnadigung durch die englische Königin.

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1 Kommentar zu “Bedeutende Informatiker Teil 1: Alan Turing

  1. Danke! Schöner Artikel, der die ungeheuren Leistungen Turing’s und sein Dank einer restriktiven Gesellschaft bitteres Schicksal schildert. Gibt ein sehr gutes Buch dazu, das sein Leben in Form der Aufarbeitung seines Todes durch einen Kommissar schildert, sehr zu empfehlen:
    David Lagercrantz: „Der Sündenfall von Wilmslow“

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